Krankheitsbild: Harninkontinenz bei Hunden
Tierhalter, die mich in meiner Kleintierpraxis wegen einer Harninkontinenz ihres Hundes konsultieren, sind auffallend häufig Frauen, die in einer Trennungssituation entweder mit ihrem Partner oder ihren erwachsenen Kindern stehen. Dabei sind die Fronten oft extrem verhärtet. Ein Außenstehender hat den Eindruck, als sei die Konfliktsituation emotional extrem geladen und im weitesten Sinne unlösbar. Die Tierhalterinnen hängen in dieser Situation fest, sie verbeißen sich regelrecht darin und können im Grunde genommen nicht loslassen.
Psychosomatisch gesehen steht die Harnblase für Druck aushalten und für das Loslassen. Die Blase ist sozusagen der Druckkessel des Körpers. An diesem Organ zeigt sich grundsätzlich die Fähigkeit, wie man mit Druck umgehen kann. Der Urin steht aus psychosomatischer Sicht für den Müll oder den Ballast der Seele. Er steht für das Alte, das losgelassen und „ausgeschieden“ werden muss. Ruediger Dahlke spricht auch vom Abwasser der Seele.
Dieses Abwasser bricht sich bei harninkontinenten Patienten unkontrolliert seinen Weg. Es läuft sozusagen über und möchte losgelassen werden. Der harninkontinente Patient hat jedoch den starken Wunsch, die belastende Situation zu kontrollieren und festzuhalten. Dieses starke Kontrollbedürfnis wird auf der Körperebene konterkariert. Das Krankheitsbild der Harninkontinenz zeigt, dass der Patient auf der seelischen Ebene lernen sollte, loszulassen. (Ruediger Dahlke, Krankheit als Symbol, S:80; S:398 f)
Zu meinen harninkontinenten Tierpatienten zählen junge und ältere kastrierte Hündinnen und wenige Rüden. Alle Hunde waren komplett inkontinent und mussten deshalb Windeln tragen. Die Tiere brachten mit ihrem Krankheitsbild den enormen Druck, dem ihre Frauchen ausgesetzt sind, ins Sichtbare. Die Hunde haben aufgezeigt, wie schwer es ihren Versorgerinnen fällt, „alte“ Seelenbeziehungen loszulassen. Gerade wenn es um die Trennung von den eigenen Kindern geht, dann ist es für mich durchaus verständlich, dass eine derartige Dynamik entsteht.